Nach Snæfellsnes gelangt man nicht so schnell – Island Teil 2

Hell! Es war sehr hell in der ersten Nacht draußen am Walfjord – wie in (fast) allen isländischen Juni-Nächten. Das gelbe Innenzelt des roten Hillu-Zeltes zaubert drinnen eine ewig sonnige Atmosphäre, die wach macht anstatt müde.

Die mitgebrachte Augenklappe war gut gedachte Vorsorge, die nicht funktionierte. Es reicht mir schon, die Schlafsackkapuze eng am Kopf zu haben, ein zusätzliches Teil war nicht auszuhalten. So schlief ich diese Nacht trotz der wundervollen Ruhe nur vier Stunden und die nächsten Nächte bzw. Tage auch nicht viel mehr. Hätte ich freilich gewusst, dass dieser Tag nur morgens gemütlich war, danach noch einige nette Wanderungen bot, während ich dann am Nachmittag und Abend zu fahren, fahren, fahren hatte – gute 500 km, davon knapp 100 auf ungemütlichen Schotterstraßen, dann hätte ich mich wohl ermahnt, weiterzuschlafen.

So aber war ich neugierig auf den Tag, wanderte noch ein bisschen am Fjord entlang, bis wenigstens ein paar Sonnenstrahlen die Wolkendecke durchbrachen und räumte schließlich meine Sachen zusammen.

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Vor der Brücke, die nach Borganes rüber führt, machte ich an einem Parkplatz Halt und orientierte mich anhand der Karten. Hinter Borganes nach Snæfellsnes zu lag eine dichte Wolkenwand, während es im Osten schon aufklarte. Also entschied ich mich kurzentschlossen für einen Rechtsschlenker in das Tal, in dem der kleine Ort Reykholt, die Wasserfälle von Hraunfossar und Husafell liegen. Es wurde ein wunderschöner Morgen. Wenn ich um die frühe Zeit schon die kurze Strecke auf der A1 allein gewesen war, so waren die kleinen Straßen Nr. 50 und 517 wie ausgestorben. Lediglich auf Pferdchen traf ich hi und da, welche aber wie die da unten auch noch keine Lust zum Herumsausen hatten.

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Als ich es dann in dem kleinen Ort Kleppjarnsreykjum (ich hoffe, ich habe den Namen korrekt Buchstaben für Buchstaben abgeschrieben :-) überall dampfen sah und der Spur bis zu den heißen Bächen folgte, da fühlte ich mich durch die friedfertige Stille und die spezielle Atmosphäre fast wie im Märchenland.

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Der Ort liegt in einem Niedrigtemperaturgebiet, es dampft allenortens und die Bewohner nutzen die Wärme für den Gemüseanbau in Gewächshäusern.

Das winzige, blitzsaubere Dorf Reykholt, welches von hier aus nicht mehr weit war, hat mich dann eher ein wenig enttäuscht. Alles sehr hübsch, aber irgendwie fehlte mir was. So fuhr ich, nachdem ich dem mittelalterlichen Dichter und Politiker Snorri Sturluson durch den Besuch seiner einstmaligen Wohnstätte meine Referenz erwiesen hatte sowie nach einer Wanderung zu einem Aussichtspunkt in Richtung Husafell weiter. Dort war ich noch eine Zeit an den Hraunfossar Wasserfällen allein und konnte entspannt herumstreifen. Als die Touristen allerdings kamen, kamen sie in riesigen Scharen und ich zog wieder weiter.

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Die schöne alte Kirche in Reykholt

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Landschaft bei den Hraunfossar Wasserfällen am Fluß Hvita

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Das Örtchen Husafell überrascht dann erneut mit seinen vielen Birkenbäumen, inmitten derer eine schöne Campsite liegt, und mit seiner grandiosen Lage inmitten einer beeindruckenden Berglandschaft (z. B. Gletscher Ok). Kurz hinter Husavik führen die Pisten ins Hochland und mein Pololein musste hier stoppen. Das machte mich das erste Mal etwas traurig, denn die endlose Weite vor mir lockte und lockte…So ließ ich das Auto einfach stehen und wanderte eine knappe Stunde zu Fuß die Piste entlang. Einfach so vor mich hinzugehen auf diesem langen, geraden Weg war ein schönes Gefühl.

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Hier sah ich dann auch den ersten Wagen, der übte, eine Furt zu queren. Ich nenne es üben, denn 300 m entfernt von der Furtstelle gab es eine bequeme Brücke :-)

Na ja, man muss ja schließlich testen, was so ein Mietwagen hergibt!

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Zu diesem Zeitpunkt entschloss ich mich, nachdem ich die Piste eh‘ nicht fahren konnte, zur Rückkehr Richtung A1 und Richtung Snæfellsnes. Eine beträchtliche Wegstrecke lag vor mir und ich würde wohl bis zum Abend benötigen. Zu müde wollte ich auch nicht ankommen, denn es sollte ein schöner Abend werden und ich freute mich auf’s Fotografieren bei Sonnenuntergang.

Allein – wenngleich dieser Tag bisher alles Erwartete erfüllt und übertroffen hatte, dann sagte er sich jetzt wohl: Es ist Feierabend. Von hier ab wurde alles anstrengend. Anstrengend und anders als gedacht. Sich auf Norden zu orientieren, war zunächst landschaftlich erfreulich, dann ging es über die Straße Nr. 60 zügig über einen Pass Richtung Budardalur.

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Passstraße Nr. 60

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An der Passstraße

Irgendwann stockte die flüssige Fahrt aber bereits auf der grundsätzlich gut ausgebauten Nr. 60, weil sie über zwei längere Strecken durch Schotter unterbrochen war.

Unten an der Nordküste angekommen, fand ich wohl die gegenüberliegende Küste der Westfjorde majestätisch, jedoch dem vor mir liegenden, sich ewig hinziehenden Gelände Richtung Snæfellsnes – dem konnte ich leider überhaupt nichts abgewinnen. Über 70 Kilometer wären es bis Stykkisholmur – das konnte fad‘ werden auf der Schotterstraße, die ich nur mit 60 kmh befahren konnte. Ca. 10 km legte ich zurück, ständig kamen mir LKW entgegen, die mir den Dreck nur so entgegenwehten – die gute Laune vom Morgen schwand zusehends.

Hinzu kam, dass hier sehr starker, böiger Wind herrschte. So hielt ich kurzentschlossen an, dachte kurz nach… und kehrte um!

Ich hatte ja nur zwei Tage auf der Halbinsel eingeplant. Wenn ich jetzt so lange brauchte, um zu den Highlights zu gelangen, dann würde es nur Hektik werden. Ich weiß nun: Nach Snæfellsnes kommt man nicht eben mal so schnell, dafür muss man sich wie für die Westfjorde mehr Zeit nehmen.

Als nächstes rief ich Stefan an. Wenn ich nicht hier im Westen blieb, würde sich die Möglichkeit für ein Treffen am Myvatn auftun, wenn ich mich gleich auf den Weg machte. Ja, er und Nadine würden noch bis zum nächsten Tag im Myvatn-Gebiet bleiben und sich danach ins Hochland aufmachen.

Also Blick auf die Karte und Stefan checkte den Routenplaner. Beim Myvatn könnte ich gegen Mitternacht eintreffen, wenn ich den Schotter-Querpass über die Straße Nr. 59 nehmen würde. Schon wieder Schotter? Und 50 km. Ich schluckte heftig, denn ich hatte den Dreck jetzt schon satt und auch das Mehr an Konzentration, welches man auf diesen Straßen wegen der Schlaglöcher benötigt. Aber die Alternative hieß, ein Riesendreieck über den Süden fahren zu müssen. Also „Augen zu und durch“.

Die Strecke war dann an sich ganz schön, aber es wurde immer stürmischer und mein kleines Auto musste richtig festgehalten werden.

„Mach‘ unterwegs unbedingt einen Zwischenstopp auf der Vatnes-Halbinsel, da liegt ein toller Felsen vor der Küste“, empfahl Stefan unterwegs (er meinte Hvitserkur) und so bin ich die 711 halt auch noch hoch… kam ja schon nicht mehr drauf an, ob ich nun noch mehr Schotter fahre. Aber dort angekommen, war es so kalt und stürmisch und ich so hungrig und müde, dass ich nicht mehr runter gehen wollte zum Strand, sondern nur das Foto von der Aussichtsplattform machte. Zu manchen Orten muss man sich halt zweimal aufmachen!

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Hvitserkur

Spätestens hier war mir auch klar, dass ich nicht bis zum Myvatn würde durchfahren können. Jetzt war ein Übernachtungsplatz nötig, nach Möglichkeit mit warmen Wasser, weil ich total verstaubt war und dann ein ordentliches Essen samt Tee. Also rechts und links geguckt, wo man anhalten könnte und als ich in Blönduos rechts die kleine Campsite liegen sah, überlegte ich nicht mehr lange, sondern blieb gleich dort.

In dieser Nacht schlief ich ausnahmsweise tief und fest bis weit in den Morgen. Weil Stefan und Nadine sowieso nachts fotografierten und zwischen ca. 7.00 Uhr und 14.00 Uhr schliefen, würde ich sie am Nachmittag wohl erreichen.