Zur Mittsommernacht in Island – Teil 1
„Bring‘ Sonne mit“, hatte Nadine vor meiner Abreise wehmütig angesichts des bis dahin grauen isländischen Wetters gesagt. Also eine zusätzliche Jacke raus aus der Tasche, heiße Junisonne rein und tatsächlich funktionierte es – vielleicht habe ich ja einen Tropfen Elfenblut in mir :-)
Und schließlich: was wären auch die berühmten weißen Mittsommernächte, in denen die Sonne im Norden nicht untergeht, ohne den Anblick des goldgelben Feuerballs, der weit hinten am Horizont nach Mitternacht eine Stunde zwischen Himmel und Meer schwebt, um dann für den neuen Tag wieder aufzusteigen! Dieses am einsamen Treibholzstrand oben auf der Halbinsel Tjörnes zu erleben, still mit der Teetasse neben meinem Zelt sitzend, gehörte zum Ergreifendsten meiner an Highlights durchaus reichen Islandtour. Selbst das Fotografieren vergaß ich für eine Zeit.
Aber nun nach und nach, denn bei Husavik kam ich ja erst am fünften Tag an. Wegen der Fülle an Erlebnissen und Fotos werde ich mit diesem Bericht chronologisch der Reiseroute folgen, mal in größeren, mal in kleineren Etappen. Ich benutze bewusst den Begriff „Etappen“ und nicht „Tage“. In einer Zeit, in der es immer hell ist, verwischten sich schnell die Grenzen zwischen Tag und Nacht – mitunter war ich 24 Stunden auf den Beinen oder fuhr eine Nacht fast durch und blieb erst stehen, als vor lauter Nebel nichts mehr zu sehen war.
Los ging es, als die große Hitzewelle sich über das bayerische Land legte und ich mir bereits bei der Ankunft im Flughafen vorkam, als ob ich mitsamt Kleidung in einem 40°-heißen Hot Pot stecke. Schwitzend stand ich also mit meinem Riesengepäck vor dem AIR-Berlin-Schalter, wo sie erstaunlicher Weise die neue Gepäckregelung bereits kannten und ich keine Probleme mit den zwei Stücken hatte – anders als bei der Rückreise in Keflavik, wo ich fünfzehn Minuten das Check-in blockierte.
AB-Service-Card macht’s möglich: Ich hatte bereits im November einen Fensterplatz in der siebten Reihe reserviert, auch dies klappte wunderbar und so nahm ich schon unterwegs viele schöne Eindrücke vom Flug ins Helle mit.
Leider war über und in Island jedoch alles grau in grau – eine Ankunft, „wie ich mir das nun aber nicht vorgestellt hatte!“
Für die Ankunftsnacht (Warum kommen die Flieger eigentlich nachts an?) hatte ich mir eine Pension in Keflavik genommen; der Vortag war noch ein harter Arbeitstag gewesen und ich nun froh, um halb zwei einfach in ein Bett fallen zu können.
Mein treuer Begleiter für die nächsten 14 Tage war mein knallrotes Pololein. Als ich in die benannte Reihe der wartenden Fahrzeuge kam, betete ich: Lass das Rote das Meine sein! Und es wurde das Meine :-)
Ein schöner Farbfleck als Vordergrund für manches Schwarz-Lava-Foto! 24.000 km drauf; 3.700 weitere verbrachten wir gemeinsam.
Tja, da stand ich dann am Morgen und musste entscheiden: rechts oder links rum um die Insel?
Denn das war mein Plan: 1x ganz rum über die A1, von der aus genügend Highlights für einen 14-tägigen Erstbesuch zu erreichen sind. Mit einigen Abstechern an die Küste bzw. ins Inland – soweit die Ziele mit dem Normal-PKW erreichbar sind. Und das sind sehr viele.
Die allradpflichtigen Hochlandstraßen sollten einem späteren Besuch vorbehalten bleiben. Je nach Wetterlage wollte ich allerdings mit Trekking-Rucksack und Hochlandbus für 2 Tage nach Landmannalaugar.
Frauen können sich bekanntlich nicht gut entscheiden, also blieb ich erstmal auf der Halbinsel Reykjanes und wartete auf Erhellung im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Das war schon mal eine gute Wahl.
Das Gebiet rund um den internationalen Flughafen – von den meisten recht zügig wieder verlassen – birgt zauberhafte Stellen fernab vom anderswo vorhandenen Rummel. Na gut, die Blaue Lagune mal ausgenommen! Dort soll man inzwischen online vorbuchen müssen, um überhaupt rein zu kommen. Aber bis dorthin kam ich an diesem Tag sowieso noch nicht. Das türkisblaue Spektakulum hatte ich ebenso wie das Solfatarengebiet Seltun für den Schluss der Reise ausgespart.
Der gelbe Leuchtturm gab mir endgültig Impulssignal hinsichtlich der Routenführung. Na klar, dafür sind Leuchttürme schließlich da :-)
Trotz der für das Wochenende auch für den Süden versprochenen Wetterbesserung entschied ich mich, im Uhrzeigersinn nach Norden zu fahren, mit Zwischenstopp auf der eigentlich nicht eingeplanten Halbinsel Snæfellsnes, die oft auch als „Island in Miniaturformat“ bezeichnet wird.
Zuvor war allerdings Einkaufen angesagt; also zurück nach Keflavik. Auch hier wieder: da wird nicht mal einfach so ein Gewerbegebiet hingestellt, ganz oft findet man auch etwas Originelles für’s Auge:
Vorbei an Reykjavik, welches ich noch auf der Rückfahr besuchen würde, ging es auf der A1 straight gen Norden.
Ach, da lacht das Herz, als die ersten Berge passiert werden – beim Wechsel von der überwiegend flachen vulkanischen Reykjanes-Halbinsel fühlt man sich jetzt fast wie zu Hause, nur noch mit Meer auf der anderen Seite!
Oft halte ich am Straßenrand an und genieße die Landschaft. Obwohl der Straßenverkehr hier – nahe der Hauptstadt – noch recht dicht ist. Seit es den Hvalfjörður Tunnel gibt, siedeln viele Reykjaviker nach Akranes um, so gibt es regen Pendlerverkehr. Kurz vor dem Tunnel gerate ich leider in einen anderweitig verursachten Stau: ein Moped-Fahrer hat sich mitten auf der Fahrbahn quergelegt; die Polizei ist gerade dabei, alles aufzunehmen.
In der Zwangspause spüre ich plötzlich Hungergefühl und aufkommende Müdigkeit. Klar, Mein Rumbummeln auf Reykjanes und das Einkaufen haben es spät werden lassen. Also entscheide ich mich nach dem Durchfahren des fast sechs Kilometer langen Tunnels bei der nächsten Ausfahrtmöglichkeit für einen Stopp. Da bin ich am Walfjord und stelle fest, dass es ein guter Platz nicht nur fürs Essen, sondern auch für die erste Übernachtung ist. Grandiose Aussicht, Alleinstellungsmerkmal – um mich herum lediglich zahllose zwitschernde Vögel.