The Isle of Avalon
Teil 8 Großbritannien-Autotour Juli/August 2015
Eines muss man der Stadt im unaufgeregten Somerset bescheinigen: Obwohl es kaum mehr Einwohner hat als der bayerische Marktflecken, in dem ich lebe, behauptet sich das kleine Glastonbury wunderbar und nachhaltig im internationalen Bewusstsein.
Ob es nun tatsächlich darin liegt, dass sich hier das wahre Zentrum der Erleuchtung befindet oder an der Anziehungskraft eines gigantischen Musikfestivals, bei dem man sich regelmäßig außerordentlich beeilen muss, wenn man eines von weit über 100.000 Tickets ergattern möchte, oder ob ganz einfach der Findungsreichtum der einstmals in Glastonbury Abbey ansässigen Benediktiner, die das Grab von König Artus und seiner Gemahlin hier vorgefunden haben wollten, noch fortlebt… egal: Die Menschen des Ortes und vermutlich noch weit mehr die Menschen außerhalb des Ortes, ja außerhalb der britischen Insel lieben die Mythen von Glastonbury und pflegen sie höchst liebevoll.
Glastonbury verehrt man oder man ist davon verwirrt. Als ich 1997 auf meiner ersten GB-Tour Stonehenge und Avebury besuchte und sogar das nur wenige Meilen entfernte Wells, ließ ich „The Isle of Avalon“ unangeschaut. „Zu viel Zirkus“, befand ich damals.
Nun, das Alter lässt einen toleranter werden und ermöglicht es, einfach an schönen Geschichten teilzuhaben.
So sollte man auch tatsächlich aufgelegt sein, denn die Stadt ist ANDERS. Es hinreichend zu beschreiben, ist mir nicht möglich – fahrt hin und erlebt es selbst.
In einem Reiseführer von vor 20 Jahren wurde eine Einwohnerin zitiert, welche meinte: „Wenn du sie (die Alternativen) nicht schlagen kannst, musst du sie imitieren.“ Die Stadt macht das, wie man hört und wie ich selbst den Eindruck hatte, sehr erfolgreich.
Das erste, wozu ich versucht war: mir eine für die Stadt passende Garderobe zu kaufen, damit ich weniger auffallen würde. Inklusive Accessoires.
Inklusive Lektüre, um mich geistig zu rüsten.
Gerade noch konnte ich mich bremsen.
Das verdankte ich Shops wie diesem, die mir zeigten, dass man auch am Goddess Temple letztendlich Freude am Essen und Trinken haben muss.
Außerordentlich versöhnlich.
Und geistig hätte ich so schnell eh‘ nichts aufholen können. Das wurde mir glasklar deutlich, als ich auf dem Weg zum Glastonbury Tor den jungen und älteren Menschen begegnete und zuweilen von ihnen angesprochen wurde. Oh je, ich kam mir vor wie jemand, der – nach dem Losungswort befragt – keinen Schimmer hatte. Sofort fühlst du dich wie in der Grundschule.
Nichts für ungut, ich bin sehr dafür, wenn junge Menschen in den Hügeln singen, beten, tanzen – sie tun dies friedlich. Ich freue mich uneingeschränkt über die vielen Musikanten in den Straßen und vor den Häusern. Und über die Building Paintings.
Es ist wohl nur so, dass mir ein Gesprächsfetzen von vor einigen Jahren, als ich einen Freund zu einer Konferenz der Grenzwissenschaften begleitete, noch sehr nah im Ohr klingt. „Ich mag mich mit Menschen, die nicht so denken wie wir, gar nicht mehr unterhalten“, sagte ein hinter mir sitzender Besucher zu seinem Nachbarn. Unwillkürlich war ich damals in meinem Stuhl zusammengesunken und erst wieder hochgekommen, als mir bewusst wurde: Der Mann ist ja genauso intolerant wie die vermeintlich Intoleranten, mit denen er sich nicht unterhalten mochte.
Also Leute, geht hin nach Glastonbury, steigt hoch auf den Tor (Hügel), welcher sich tatsächlich einmal als Insel erhob – als das Meer noch weit ins Land reichte. Erfreut euch angesichts des weiten Blicks auf das liebliche, buckelige Somerset mit seinen weitläufigen Naturreservaten und besonderen Vögeln wie Water Vole, Hobby, Kingfisher.
Habt Spaß an dem Kunterbunten und den Mysterien dieser Stadt.
Selbst, wenn es nicht die Gebeine von König Arthur und Königin Gwenhwyvar wären, die einst hierher nach Avalon gebracht wurden, weiß doch auch niemand ganz sicher das Gegenteil zu belegen, und so bleibt dies eine wunderbare und mächtige Geschichte, genauso wie die um Jesus, Josef von Arimathia und den Heiligen Dornbusch.
Und wenn euch Glastonbury hin und wieder verwirrt, vergesst nicht:
Übernachtet habe ich übrigens auf der Campsite am Stadtrand, vor der aus man super fußläufig in die Stadt kommt:
The Isle of Avalon, Touring Caravan Park – 15 £ für Zelt ohne Strom.