Warum wir immer noch fotografieren

Plitvice National Park im Frühling

Fototour Ende April 2012 zu den Plitvicer Seen.

Karl May hatte es gut. Nur spärlich mit finanziellen Mitteln, dafür mit einer genialen Fantasie ausgestattet, ersparte er sich mühevolle Reisen und beschrieb ferne Länder und Sittengebilde, wie er sie sich vorstellte. Eigentlich könnten wir Fotografen uns ähnlich bescheiden geben, zumal alles ja schon gesehen und oft fotografiert wurde. Doch nein, wir scheuen keine Anstrengungen und keine Kosten, wenn es um das ultimative Foto geht. Ist es vielleicht gar nicht das Foto an sich, dem wir nachjagen? Vielleicht ist es vielmehr das Erlebnis des Fotografierens, das Er-Leben unserer Welt und das Festhalten unserer ganz persönlichen Emotionen?

Da stand ich nun morgens gegen 7.00 Uhr, also noch vor offizieller Öffnung am Aussichtspunkt am Eingang 1 des Nationalparks Plitvicer Seen. Dort wo Winnetou im Film für das Gute kämpfte. Gemeinsam mit vier Japanern betrachtete ich gebannt die gegenüberliegende Felswand, wo einige Fotoenthusiasten ein Drittel der Wandhöhe hinabgeklettert waren und auf einem Vorsprung auf die ersten Sonnenspots auf den Großen Wasserfall warteten. Natürlich war ich neidisch, denn wäre nicht mein Felssturz Ende letzten Oktobers gewesen, würde ich jetzt auch dort kraxeln. Würde eine lausbubenhafte Freude empfinden, die so typisch ist beim Überschreiten persönlicher Grenzen. Und dieses Gefühl lebt fort in den Fotos, die wir mitbringen und für die wir uns geschunden haben.

Allein –  meine eigene frühere Unbefangenheit beim Klettern ist noch nicht wieder da und das verletzte Bein muss erst auf Belastungsfähigkeit getestet werden.

An diesem langen Aprilwochenende unternahm ich den ersten größeren Ausflug nach meinem Unfall und mir war bei der Abfahrt doch ein wenig mulmig. „Auf keinen Fall will ich wieder ins Krankenhaus“, waren meine Abschiedsworte, „hoffentlich geht alles gut und ich kriege die Angstbarriere aus dem Hirn“.

Nun, da ich hier schreibe, ist tatsächlich alles gutgegangen. Es war überaus anstrengend, denn wer das Land der fallenden Wasser kennt, wie die sich über acht Kilometer hinziehende Seenlandschaft auch genannt wird, der weiß um die Höhenunterschiede und die Entfernungen, die dort zumeist auf Holzstegen zurückzulegen sind. Und Daqui wünschte sich – auch wegen der heißen Temperaturen um die 30°C – Adlerschwingen.

Vielleicht wäre die Toskana, wo man nach Stefan Krauses Aussage „vom Auto weg“ alles fotografieren kann, die geeignetere Starttour gewesen. Aber andererseits: Wie soll die Adlerin die aktuellen Grenzen kennenlernen, wenn sie die Herausforderung scheut. Also mittenmang zwischen die Japaner und die vielen anderen Nationalitäten! Denn der Optimismus meiner kroatischen Kolleginnen, wonach Ende April nicht so viele Besucher dort wären, war verfehlt. Vielleicht waren es 10 weniger als zu späteren Zeiten, doch die zehn spürt man nicht. Und kurz vor Mittag standen sie wieder an … vor dem Großen Wasserfall, wo jede touristische Gemeinschaft ihr Gruppenfoto aufnehmen muss.

Plitvice National Park Wasserfall

Ich kann aus der Erfahrung des Herbst- und des jetzigen Frühlingsbesuches jedem, der die einzigartige Atmosphäre dieser sensiblen und gefährdeten Landschaft spüren möchte, nur raten, frühzeitig dort zu sein, mittags eher Spaziergänge in die reizvollen Wälder des Nationalparks zu unternehmen und am späteren Nachmittag an die Seen zurückzukehren. Am stimmungsvollsten ist es morgens und nachmittags an den oberen Seen, da bei etlichen Gruppen Puste oder Zeit nicht für die ganze Tour reichen.

Eine positive Überraschung war das schon vorhandene Grün. Man liest in Internetberichten, dass sich wegen der Höhenlage ein Besuch erst ab Mitte Mai wirklich lohnte. Das habe ich anders erlebt. Obwohl die Seenlandschaft im letzten Winter extrem viel und späten Schnee hatte, war jetzt das zarte Buchenlaub schon da und bildete einen feinen Kontrast zu den dunklen Baumstämmen. Alles wirkte frisch und leicht und hatte eine feine Transparenz. Man vergleiche die schöne Stegstelle mit dem dahinter liegenden und durchschimmernden Wasserfall, die ich sowohl im Herbst als auch jetzt fotografiert habe und die vollständig anders wirkt.

Plitvice National Park Wasserfall

Plitvice National Park im Frühling
Natürlich fehlt die Üppigkeit des Grüns und das Schilf liegt noch matt und krumm am Ufer, aber macht nicht dies einen besonderen Reiz aus? Wenn wir uns gerade noch erinnern an die kalte und oftmals triste Zeit und zugleich das Erwachen der Natur erleben? Außerdem machen die zarten Frühlingsblüten an den Felswänden und in den Sumpfflächen diesen Mangel allemal wett.

Plitvice National Park Wasserfall

Ich war vor allem glücklich über den aktuellen Wasserreichtum, denn im Oktober waren einige Kaskaden gar nicht zu bewundern gewesen. Überhaupt kann man den Nationalpark ständig differenziert erleben, denn sein Gesicht ändert sich nicht nur mit den Jahreszeiten, sondern auch in den Details der Wasserläufe und der berühmten Travertinbildungen.
Und seien wir dankbar, diesen Reichtum wieder und noch genießen zu können, denn es ist noch gar nicht so lange her, dass der Nationalpark Gegenstand sowie Opfer militärischer Auseinandersetzungen war. Erst 1995 konnte mit der Reparatur der aufwändigen Stegsysteme begonnen werden, so dass heute wieder Besucher zu den vor allem im unteren Bereich von hohen Felsen eingerahmten Seen gelangen können. Ohne die Stege wäre die Begehbarkeit arg reduziert.
Außer natürlich für die gemsenartigen Fotografen, die ohnehin die Wege ablehnen und sich auf der Suche nach der besten Fotoposition lieber ins felsige Terrain wagen. Passt immer gut auf Euch auf, Jungs!

Noch ein logistischer Tipp:
Übernachtsmöglichkeiten nahe der Seen findet man leicht in einem der zunehmenden Privatquartiere. „Leicht“ ist es indes nur, wenn man schon vor Ort ist und nach einem Bett für die Nacht fragt. Straßenbezeichnungen für die verstreut liegenden Häuser habe ich nämlich bislang wenig bis keine gesehen, lediglich Hausnummern, so dass die schlaue Susi vom Navi-Funk wohl ihre Schwierigkeiten haben dürfte. Es gibt einige wenige Hotels, auch zwei direkt unterhalb von Eingang 2, was natürlich sehr praktisch ist, weil man nicht jedesmal mit dem Auto anfahren muss sowie zwei Campingplätze, von denen ich lediglich den Auto-Camping Korana kenne und auch empfehlen kann. Die rote Hillu (mein knallrotes Hilleberg-Zelt) und ich haben dort noch immer eine schöne Rasenfläche, einen schattigen Platz und eine nahe gelegene Stromspendestelle für das Aufladen der Akkus gefunden.