Ardnamurchan – herrlich anders

Die langsame, einsame Fahrt durch den epischen Regen auf Süd-Skye und das Ankommen auf Ardnamurchan waren an diesem Julitag 2018 eine logische Kopplung von Zusammengehörendem. Ich liebe die sich von den Hauptreiserouten schlau wegduckende Halbinsel im Westen Schottlands.

Sie ist karg und üppig zugleich, störrisch und lieblich, mit ihren wenigen, schmalen und kurvigen Straßen schon ein bisschen umständlich zugänglich – zumindest besser in slow motion zu fahren.

Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich 2011 die riesige Wiese auf der Campsite bei Strontian für mich allein hatte…,

… den ersten Spaziergang durch die knorrigen Eichenwälder unternahm…

… bei Ebbe durch den Schlick zu Castel Tioram tapste und dabei fasziniert den Muschelsuchern zuschaute.

Castle Tioram Bild aus 2017

Wie gesagt, das war in 2011 und weil ich damals wegen einer Straßensperre nicht zum Ardnamurchan Lighthouse fahren konnte, versuche ich regelmäßig, wenigstens eine kurze Stippvisite dorthin zu machen und den Besuch im Nordwesten nachzuholen. Dieses Mal bot es sich an, da ich auf die Isle of Mull übersetzen wollte und dies ab Kilchoan auf sehr schöne, nämlich ruhige Art möglich ist.

Erstmal jedoch wartete ich vor dem Übersetzen aufs Festland eine gute Stunde an der Anlegestelle von Armadale auf der Isle of Skye, schaute den im unaufhörlichen Regen auf den Wellen schaukelnden Booten zu und fühlte mich wie in Meditation.

Die Bootsfahrt war urst gemütlich und schnell waren wir drüben in Mallaig.

Autsch… was für eine scheußlich breite Straße, auf der sich alle Autofahrer schlagartig an die PS-Zahl ihres Wagens erinnern und für Stress sorgen. Die Zivilisation will uns straight wieder unter ihr Netz nehmen. Nur schnell rechts raus auf die kleine B8008!

Sollte ich geliebäugelt haben, auf der Silversands Campsite zu übernachten, wurde ich schnell eines Besseren belehrt: In Arisaig wurden Highland Games ausgetragen und sämtliche!!! Campsites weit und breit waren besetzt. Was für ein Zirkus… hunderte von Autos auf einer matschigen Wiese, Menschen über Menschen im strömenden Regen auf dem Gelände. Mich schüttelte es nicht nur vor Nässe. In Arisaig stoppte ich kurz, als der Himmel für Momente aufriss. Jeden Sonnenstrahl mitnehmen!

Im winzigen Shop kaufte ich Gebäck ein und störte damit zwei Locals beim Plaudern. Warum er nicht bei dem Games wäre, fragte ich denjenigen, der auf meiner Seite der Kasse stand. Breit grinsend meinte er, das wäre „Bierfest“ für Touristen. Als ich begriff, dass er auf unser Oktoberfest anspielte, waren wir sofort beieinander :)

Hach, was war ich froh, als ich auf die Halbinsel Ardnamurchan abbiegen konnte und im Handumdrehen in Stille eintauchen konnte. Ist nicht schon der Name Musik: Ardnamurchan! Angeblich bedeutet es „Stelle der Piraten“ und jawoll, dem stimmt meine Phantasie sofort zu.

Unterkunft fand ich diesmal auf der Resipole Farm Campsite und obwohl sie nicht so leer war wie die letzte, war nichts gegen sie einzuwenden. Sauber, sehr nette Eigentümer und angenehm höfliche Bewohner und Besucher. Ich wurde kaum mit dem Zeltaufbau fertig, weil jeder Vorbeikommende grüßte und ein paar Worte mit mir wechselte.

Nur wenige Schritte über die wenig und abends so gut wie gar nicht mehr befahrene Straße und man ist am schönen Strand.

Aufnahme: Samsung Galaxy S8

Oben seht ihr wieder eine Samsung Galaxy S8-Aufnahme. Wie gesagt: da geht schon was und in ein paar Jahren wird es neue Innovationen geben, welche die heute noch vorhandenen Begrenzungen aufheben werden – da bin ich ganz sicher.

Die Campsite bei Salen hatte ich vor allem wegen der zentralen Lage ausgesucht und weil ich ja weiter nach Norden wollte. Am Ankunftstag freilich kam ich nicht sehr weit. So ist das eben: Du hast ein Ziel vor Augen, aber unterwegs findest du manch‘ kleines Wunder und hast das Ziel einstweilen vergessen. Das kleine Wunder auf Ardnamurchan war freilich nicht klein, sondern 528 Meter hoch und trägt den Namen Ben Hiant.

Kurve um Kurve war ich vor und nach Salen immer nah am Wasser durch dichte Wälder gefahren, habe ohne Verkostung eine kleine Destillerie passiert und wie zur Belohnung öffnete sich kurz darauf das Gelände… Wow… eine andere Welt liegt vor mir.

Zum Glück gibt es einen Parkplatz zum Anhalten und ehrfürchtigen Staunen. Auch zum Wandern natürlich. Irgendwas erinnerte mich an Santorin und in der Tat: Dort wie hier gibt es eine vulkanische Geschichte.

Der Weg zum Leuchtturm führt also über die Alpen, stellte ich fest – damit hatte ich hier nicht gerechnet. Die winzige Straße, auf Höhe der Buchtmitte ziemlich vom Regen ausgewaschen, schlängelt sich schmal am Berg hoch, dann lustig auf und ab durchs karg bleibende Gelände.

Vor Kilchoan findet man die Überreste des kleinen Weilers Bourblaige, dessen Bewohner 1828 auf besonders herzlose Weise den Highland Clearances zum Opfer gefallen waren. Das war nicht lustig.

Schwer vorstellbar, dass ein vermögender Mann es nötig hatte, in dieser abgelegenen Gegend eine funktionstüchtige Gemeinschaft von rund 30 Bewohnern von Haus und winzigem Hof zu verjagen, um Schafe anzusiedeln.

Hingegen kann ich mir angesichts der wunderschönen Lage mit weitem Blick aufs Wasser sehr gut die Hartnäckigkeit einer älteren Frau vorstellen, welche sich der Räumung wiedersetzte, bis der Landlord sie in ihrem Haus einmauern ließ, so dass sie zu verhungern drohte und schließlich doch aufgeben musste. Eines von vielen tausend Schicksalen in Schottland, mit deren Geschichte ich schon auf meiner Nordroute 2013 so intensiv konfrontiert wurde und die mich immer aufs Neue traurig zurücklässt, weil der Mensch in allen Gesellschaftsformen dem Menschen so unerbittlich ein Wolf ist. An diesen Platz werde ich gewiss noch einmal eigens und mit mehr Zeit zurückkehren. Vielleicht bringe ich der Frau zu Ehren etwas aus Bayern mit :-)

Fürs erste wollte ich nun aber das Ardnamurchan Lighthouse erreichen, das ja immerhin den westlichsten Punkt von Großbritannien markiert.

Doch was ist das? Perplex stand ich auf den letzten hundert Metern vor einer Ampelanlage, Signal auf Rot. Ähm… nee, kann doch nicht sein, oder? In dieser Einöde? Am Strand? Als ich schon glaubte, einer versteckten Kamera zum Opfer gefallen zu sein, bekam ich Grün und entdeckte rasch auch den Grund für den unerwartet geregelten Verkehr: eine einspurige und durchgehend von einer mittelhohen Mauer begrenzte Straße windet sich um den letzten felsigen Hügel und leitet die Besucher geschützt vor den tobenden Stürmen zum Turm.

Hier der Blick aus der anderen Richtung:

Dass auch dieser Leuchturm von einem Stevenson (Alan) entworfen wurde, ist naheliegend, hatte die Familie doch über viele Generationen gewissermaßen das Monopol (an Knowhow) in Schottland. Und obwohl man vieles wiedererkennt, ist der auf Ardnamurchan einzigartig auf der Welt: Er trägt unterhalb des Abschlusses und am Eingang Bögen nach ägyptischem Stil.

Es ist ein großartiger Platz mit viel Charakter. Bleibt auf der Liste „Da will ich wieder hin“. Gerne wäre ich bis zum Abend hier geblieben, aber mein für die nächsten vier Tage gebuchtes Quartier auf Mull wartete und so sollte ich irgendwann die Fähre nehmen. Also zurück nach Kilchoan.

Passt scho!

O.k., Panik darüber, womöglich keinen Platz auf der Fähre, für die man anders als bei den meisten übrigen nicht vorbuchen kann, zu erhalten, war klar überflüssig:

Also Auto auf „1“ gestellt und noch einen kleinen Rundgang gemacht, bevor es in Gesellschaft von immerhin einem Handwerkerauto und zwei Asiaten (wo waren die denn hergekommen?) auf eine sehr exklusive Reise auf die Isle of Mull ging. Wenn ich nicht in so gespannter Vorfreude gewesen wäre, hätte ich den Anblick der Asiaten als Zeichen erkannt. Und nicht wirklich als ganz gutes.