Abenteuer Namibia – Von Windhoek bis zur Spitzkoppe

Afrika oder nicht Afrika. Will ich da wirklich hin?

Das südliche Afrika – ich hätte nie gedacht, dass ich diese Region einmal mit eigenen Augen anschaue.
Viel zu lange schon individualtouristisch unterwegs, war mir jeglicher Gedanke an eine Reisegruppe „schwierig“. Und allein auf diesen so fremden Kontinent zu reisen… mein Wagemut hat wohl doch Grenzen.

Dann kamen Stefan und Nadine letzten Sommer mit der Nachricht, dass sie in diesem Jahr noch ein drittes und – so sagten sie jedenfalls seinerzeit – letztes Mal nach Namibia wollten und wenn ich bereit wäre, allein einen Wagen zu fahren, könnte ich mich ihnen ja anschließen. Wie ich immer so bin: Bevor ich viel nachdachte, hatte ich bereits „Ja“ gesagt und so fuhren wir im Double-Toyota-Double-Cab vier Wochen rund durch den riesigen Wüstenstaat und auch über seine Grenzen.

Dazu ist das Leben schließlich da: Grenzen zu überschreiten. Nicht nur die von Ländern, sondern nicht zuletzt auch seine eigenen. Zwar hatte ich noch nie einen Geländewagen gefahren und habe von der Großmutter eine unauslöschbare Schlangenphobie geerbt, weshalb ich vor Jahren einen Thailand-Urlaub unmittelbar vor Abflug canceln musste, doch diesmal würde ich durchhalten und es tun! Obwohl ich wusste, dass wir – mitgegangen ist mitgefangen – gegen ziemlich viele Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes und Auflagen des Autovermieters verstoßen würden.

Nein, entspannt habe ich diese Reise keinesfalls angetreten. Und als mir meine Kollegen eine rührende Abschiedsfeier bescherten, ahnte ich: „Mann, die glauben bestimmt, ich käme nicht  wieder“. Bei der Wiederankunftsfeier haben sie diese Annahme auch tatsächlich bestätigt :-)

Es wäre glatt gelogen, wenn ich behauptete, die Anspannung von vor dem Abflug hätte sich bei Ankunft in Windhoek in der afrikanischen Sonne aufgelöst. Bis ich eine persönliche innere Einstellung zu allen aufregenden Dingen entwickelt hatte, die sich durch die vielen Ortswechsel ja immer wieder neu darstellten, war der Urlaub eigentlich schon fast vorbei und nun muss ich noch einmal hinfahren, um alles richtig zu genießen.

Doch so ist das oft, wenn wir zu Neuem aufbrechen… in Island mit dem Zelt unterwegs zu sein, war mir angesichts der vulkanischen Aktivität auch nicht selbstverständlich und hinterher konnte ich über diese Angst nur noch schmunzeln.

Ganz so ist es nach der Afrika-Reise sicher nicht. Es ist schon wichtig, sich der Gefahren bewusst zu sein und sein Verhalten darauf einzustellen. Durchaus jeden Tag aufs Neue, wenn man nicht gerade zwei Wochen gut umsorgt auf einer Game-Farm verbringt.

Die Verkehrsstatistik spricht eine deutliche Sprache, unser Autovermieter hat im letzten Jahr ein Dutzend seiner 44 Fahrzeuge durch Unfälle verloren.
Wer Bildern mehr glaubt als Statistiken: Hier gibt es eine offene Facebookseite mit dem Schadens-Friedhof eines namibischen Autovermieters.

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Wer auf Pisten wie diesen mit vielen Blind-Kuppen forsch auf der Mittelspur daher kommt, sieht sich schnell mal eines Besseren belehrt und steht Stoßstange an Stoßstange.

Auch die Berichte über Raubüberfälle sind keine Hirngespinste. Bei Autoübernahme ging der Vermieter um meinen Wagen herum und sperrte mangels Zentralverriegelung jede Tür einzeln zu, damit sie bei einem Halt nicht von außen aufgerissen werden könnte. Das wird er nicht ohne Grund getan haben und ich habe mich alle Tage daran gehalten – selbst in der Pampa. Gewohnheit ist Gewohnheit und sicher ist sicher.

Wenn ich allerdings dieser Tage in der Windhoeker „Allgemeinen Zeitung“ in einem Leserbrief die Meinung vorfinde: „Sowie Sie das Flugzeug verlassen und bis Sie wieder abfliegen, werden Sie von Kriminellen beobachtet…“, dann ist das nach meinem Erleben eine falsche und auch gefährliche Generalisierung. Ja, man soll aufmerksam sein! Aber nein!, da sind mitnichten überall Kriminelle um einen herum, sondern neben den hier und da anwesenden Kriminellen überwiegend gutwillige Menschen, denen es kaum Motivation für fairen Umgang sein kann, wenn man ihnen ständig wie Ersteren begegnet.
Nach vier Wochen Reisezeit an die unterschiedlichsten Orte ist mein persönliches Fazit: Meine Sorgen hinsichtlich Sicherheit, die mich vor allem im Zelt nicht gut schlafen ließen, waren von zu Hause im Kopf mitgebrachte. Im Land selbst fand ich – und das ist wie in Europa natürlich immer auch Glückssache („zur falschen Zeit am falschen Ort“) – keine reale Begründung dafür. Wenn es grundsätzlich anders wäre, würde außerdem wohl kaum noch jemand Camping in Namibia machen, denn beim Camping kannst du so viel aufpassen, so viel du willst – spätestens im Zelt musst du auf Gott und die Menschen vertrauen.

Unsere Reiseplanung hatte vorgesehen, etwa die Hälfte im Zelt und die Hälfte in Lodges zu übernachten. Wetterbedingt und wegen Änderung von Reisezielen überwogen zum Schluss die Lodges – das würde ich, auch wenn jede Lodge den Besuch wert war, nicht noch einmal so entscheiden. Das Afrika-Feeling ist für mich beim Camping um ein Vielfaches intensiver als in der Lodge. Unfassbar, in welchem Geräusch-Universum man sich nachts befindet. Kein Science Fiction-Roman kann so viele Phantasien hervorrufen wie eine afrikanische Nacht!

Die Anreise

Wir hatten die Wahl, mit Air Namibia von Frankfurt nach Windhoek zu fliegen oder mit South African Airways (SAA) von München via Johannesburg nach Windhoek. In Anbetracht der Unberechenbarkeit bei Air Namibia (es soll hin und wieder Doppelbuchungen u. ä. geben) entschieden wir uns für die SAA. Jetzt heißt es, dass auch Condor die Destination ansteuern wird. Nachdem Air Berlin das Handtuch geworfen hatte, gab es zuletzt keine deutsche Fluggesellschaft mehr, die Windhoek anflog.

SAA war eine sehr gute Wahl – die beste Fluggesellschaft, die ich bisher erlebte. Super professionell und mit einem Bordservice, den man woanders nicht mehr kennt. Von Schlafsocken und -decke und Zahnbürste über einen nie versiegenden kostenfreien Bordservice inklusive Rot- und Weißwein bis hin zu einem Unterhaltungsprogramm, das ich nicht mal vollständig in der Struktur erfassen konnte. Als sich auf dem Rückflug mein Sessel nicht in „Entspannungsstellung“ arretieren ließ, wurde mir sofort ein anderer Platz zugewiesen und Hilfe beim Handgepäcktransport angeboten. Haha, die gute Frau wusste nicht, wie viel mein Fotorucksack wiegt :-)

Für den Technikkram hatten sowohl die jungen Leute als auch ich Alukisten zusätzlich zur Reisetasche dabei. Eine zusammenfaltbare Reisetasche ist praktischer beim Auto-Camping als ein Koffer. Ich hatte aufgepasst, dass keines meiner beiden Gepäckteile mehr als die obligatorischen 23 Kilo wog. So musste ich am Flughafen München 100 Euro für das zweite Gepäckstück bezahlen und rückwärts in Windhoek knapp 70 Euro. Aber Achtung: Die Regelung der Mehrgepäckformalitäten in Namibia ist wesentlich langwieriger als in München. Wir waren zwei Stunden vor Abflug beim Check-in und erreichten das Gate ziemlich genau zum Boarding. Also unbedingt frühzeitig auf dem Flughafen ankommen! Das Durchschleusen der Gepäckstücke in Johannesburg klappte indes zuverlässig. Überhaupt ist der südafrikanische Flughafen sehr angenehm, wenn man dort einen Stopp einlegen muss.

Bei der Ankunft in Windhoek erregte mein Gepäck zu viel Aufmerksamkeit und ich wurde zur Zollstelle rausgewunken, um zu zeigen, was ich in der Alukiste befördere. Stefan ging zur Hilfe mit und so weiß ich jetzt nicht, wer angesichts der mustergültigen Packordnung mehr irritiert war: der namibische Beamte oder mein Sohn. Alles, was ich zeigen sollte, musste erstmal aus den Verpackungen ausgewickelt werden… nach kurzer Zeit und nachdem ich zu allem reichlich Kommentare abgab, gab der gute Mann entnervt auf, bevor wir nur bei der Hälfte angelangt waren. Aber schließlich war auch ich nicht amused, denn nach 24 Stunden Anreise war mir mehr nach einem Windhoek Lager, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot, als nach der Demonstration deutscher Packordnung.

Unsere fahrenden Hotels

Die Frage kam stereotyp von jeder Grenzbehörde wie auch auf den Campsites und Lodges: Warum fahren Sie mit zwei Autos, wenn Sie drei Personen sind? Manchmal lautete sie auch: Wo ist die vierte Person gerade?
Dagegen argwöhnte der Autovermieter zusätzliches Risiko: „Wollt ihr nach Kaokoveld, weil ihr zwei Wägen bestellt habt?“ Die noch weitestgehend unberührte Region im Nordwesten Namibia ist nämlich berühmt-berüchtigt als Auto-Killer, und es ist besser, dorthin nicht allein unterwegs zu sein. Zumal die Vermieter sich schwer tun, Hilfe dorthin zu senden – wenn man den Vermieter denn überhaupt erreicht.

Doch die Antwort wegen der zwei Autos ist simpel: Wenn drei Fotografen unterwegs sind, reicht der Platz eines Toyota Hilux nicht für Gepäck und Menschen.

Ein zweites Fahrzeug, welches zudem nur von einer Person genutzt wird, ist natürlich finanziell wie hinsichtlich des Fahrens (einer fährt meist in der Staubwolke des anderen und kann ja auch nicht so ohne weiteres Fahrerwechsel machen) eine Kraftanstrengung, jedoch eine, um die es mir nicht leid war. Vier Wochen sind eine lange Zeit und es kann überaus entspannend sein, hin und wieder seiner eigenen Wege zu fahren.
Außerdem wurde Stefan ein rund 15 km langer Fußmarsch zur nächsten Stadt erspart, als die Radaufhängung bei seinem Auto brach. Lehre für etwaige Alleinreise-Pläne: Niemals ohne Satellitentelefon! Mit dem Mobiltelefon hatten wir über große Strecken keinen Empfang.

Mit zwei Autos unterwegs zu sein, beschert dem nachfolgenden Fahrer eine Menge Staub zu schlucken. Dafür sind Stefan und Nadine unsere "Holzsammler".

Mit zwei Autos unterwegs zu sein, beschert dem nachfolgenden Fahrer eine Menge Staub zu schlucken. Zum Ausgleich fuhren Stefan und Nadine tapfer unser Feuerholz durch die Lande und auch über die Grenzen.

Die Wahl unseres Autovermieters (Kalahari Car Hire) hat sich übrigens sehr bewährt, wie schon die letzten zwei Male, als Stefan und Nadine dort anmieteten. Hubert Hester vermietet neben  neuen viele betagtere Autos, die schon einige Schrammen und Dellen haben, und guckt im Gegenzug nicht sonderlich nach, ob weitere hinzugekommen sind. Das ist in Afrika ausgesprochen entspannend.

Wir hatten zwei Toyota Hilux von 2007. Meiner hatte knapp 300.000 Pistenkilometer hinter sich, der zweite über 400.000. Alle Wägen sind bei Übergabe tiptop sauber, jedes Teilchen im Motorraum sieht aus wie poliert. Die Reifen waren nagelneu, zwei ältere wurden als Ersatz mitgegeben. Die inkludierte Campingausstattung ist äußerst großzügig und vom Kochlöffel bis zur Kühltruhe umfassend. Lediglich einen Keramikteller kaufte ich hinzu, weil ich vom Aluteller einfach nicht essen mag.

Erwähnenswert, weil nicht überall so vorhanden, ist auch die Ausstattung mit Werkzeug. Fläschchen mit Öl und Kühlerdicht waren ebenso vorhanden wie ein Manometer, Spaten und – obwohl Herr Hester meinte, wir bräuchten den Reifendruck nirgendwo zu reduzieren – ein Kompressor. Das fanden wir ausgesprochen serviceorientiert, denn natürlich mussten wir den Reifendruck dann doch mal verringern und wieder aufpumpen.

Technisch sind die Fahrzeuge von Kalahari Car Hire gut in Schuss; bis auf die eine Panne, die es aber auch bei neuen Autos geben kann, sind sie gerollt und gerollt und gerollt. Stefans Meinung, der Toyota Hilux wäre nicht totzukriegen, kann ich bestätigen. Der Schwachpunkt ist wie so oft eher die Elektronik. Meine Geländefahrzeug-Anfänger-Nerven wurden gut strapaziert durch diverse Warnlampen. Als zunächst die Ölfilteranzeige aufleuchtete, haben wir noch reagiert und sind zwei Tage später in Swakopmund eine Vertragswerkstatt zum Wechseln angefahren. Drei Tage war es gut, bis die Lampe erneut leuchtete, was ich fortan ignorierte.

Daraufhin kam kurz darauf eine Warnanzeige hinzu: Gefahr am Motor! Wir befanden uns vor der grenzüberschreitenden Einreise in den Kgalagadi Transfrontier Park und waren unschlüssig, welches Risiko wir eingehen sollten: Den Vermieter anrufen und hier im Grenzgebiet, wo es denkbar langweilig war, einen Tag stehen bleiben oder von Südafrika aus einen Motorschaden melden müssen. Wir entschieden uns für letzteres und wurden am nächsten Morgen durch das Ausbleiben der Warnung belohnt. Zwar kam sie später wieder, doch Stefan meinte, dann könne der Motor schon nicht so kaputt sein.
Als schließlich auch noch ein rotes Alarmzeichen einen Defekt an der Lichtmaschine behauptete, vermochte ich mich schon gar nicht mehr richtig aufzuregen. Wir kontrollierten in Abständen den Spannungszustand und gut war’s. Offensichtlich alles Sensorprobleme, die den Vermieter bei Rückgabe nicht sichtbar aufregten.

Geplante Reiseroute und die wirkliche

Unsere Reiseroute war nahezu vollständig durchgeplant, was in Namibia prinzipiell auch ratsam ist, weil es trotz der gigantischen Weite des Landes nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten gibt, wie man annehmen könnte. Und anders als in Island oder in Schottland ist es nicht möglich, sich mit dem Zelt unkompliziert einen Stellplatz zu suchen. Das Land befindet sich fast ausschließlich in Privathand und ist in der Regel mit Zäunen umgrenzt.
Lediglich für den Süden hatten wir nicht vorgebucht, weil es dort immer leerer wird. Dass wir dort unsere Route ändern mussten, lag denn auch nicht am nicht vorhandenen Übernachtungsplatz, worüber ich noch erzählen werde.

Reiseplanung

Reiseroute

Was wir in Namibia erlebten

Wenn ich bislang mehr mit Worten beschrieben und nur einige Bilder hinzugefügt habe, drehe ich das nun bei der Schilderung unserer Reiseetappen um: Viele Bilder und Erläuterungen nur dort, wo ich sie für anmerkenswert halte. Jedesmal mit einer kurzen Beschreibung der Unterkunftsplätze. Sonst würde dies hier ein Roman. Den schreibe ich vielleicht nach der nächsten Afrikareise.

Flug und Transfer nach bzw. zwischen den beiden afrikanischen Staaten Südafrika und Namibia verliefen völlig problemlos und für eine Touristenklasse relativ komfortabel. Den recht langen Aufenthalt auf dem Flughafen Johannesburg nutzten wir für erste Einkäufe, zum Beispiel das Trockenfleisch Bilton und dafür, jedem der stündlich startenden Windhoek-Flieger ungläubig hinterher zu blicken. Warum hatten wir eigentlich eine Maschine erst am Nachmittag? Aber da unser Gepäck nun einmal so eingecheckt war, gab es zum Warten keine Alternative.

In Windhoek musste unser Fahrer, der uns zur Autovermietung bringen sollte, lange warten. Zunächst der neugierige Zoll, der den Inhalt meiner Alukiste sehen wollte und anschließend holten wir gleich noch Geld am Automaten und kauften eine Telefon-/Internetkarte – schließlich hatten wir am nächsten Tag fast 500 Kilometer zu fahren und wollten die Zeit über die umfangreichen wie unvermeidbaren Einkäufe hinaus nicht noch mehr ausdehnen.

Autoübergabe bei Hubert Hester so unkompliziert wie irgend denkbar. Im Innenhof stehen zwei geschniegelte Toyota Hilux mit offenen Motorhauben, als ob auch das blitzende Innenleben bestaunt werden will. Der Autovermieter fragt uns nach den Wünschen für die Selbstbeteiligung, schreibt alles in den Vertrag und notiert die Daten unserer Kreditkarten. Stefan hat die Seinige zu Hause vergessen, weiß aber die Nummer. Auch kein Problem.

Dann gibt’s nach ein paar Sicherheitshinweisen wie „lasst euch von jedem Tankwart Quittung und Unterschrift geben“ oder „außer an der Tanköffnung hat an euerm Auto kein Fremder was zu suchen, vor allem nicht am Reifendruck“ schon die Schlüssel.

Das Abenteuer kann beginnen. Ich würge beim Losfahren und Schalten in den zweiten Gang mitten auf der Straße gleich mal den Motor ab. Ein vollbeladener, PS-magerer Saugdiesel ist halt kein Turbo-Benziner mit 160 Pferdestärken und einer Damenhandtasche an Bord. Von da an weiß ich, dass ich ordentlich ins Gaspedal treten muss. Die erste Fahrt ist zum Glück kurz, weil wir in Windhoek in der Casa Piccolo übernachten. Sehr ordentliches, liebevoll geführtes Startquartier.

Auf dem gut gesicherten Hof der Casa Piccolo strahlen hier noch zwei blankpolierte, saubere Autos.

Auf dem gut gesicherten Hof der Casa Piccolo strahlen hier noch zwei blankpolierte Autos mit nagelneuen Reifen. Einen Tag später ist das Auto hellbraun und nach einer Woche ist das Profil auf den Vorderreifen sichtbar geschrumpft.

In Joe’s Beerhouse, für das wir schon von Deutschland aus reserviert hatten und wohin ein Taxi uns sicher bringt, verbringen wir einen gemütlichen Abend.

Der nächste Tag begann dann nach dem Frühstück denkbar ungemütlich, denn im Windhoeker Supermarkt muss der Start-Einkauf für den Camping-Urlaub erledigt werden. Hier in Windhoek ist das Angebot – anders als auf dem Lande, wo man froh sein muss, die wichtigsten Dinge zu bekommen – riesig und vergleichbar mit unseren deutschen Supermärkten. Nur der Fleischeinkauf enttäuschte: Es gibt so gut wie kein Wild zu kaufen.

Anschließend ging es ohne Pause auf die Straße. Unser erstes Ziel, die Otjitotongwe Cheetah Farm, war fast 500 km entfernt und unser Plan war es, zur Gepardenfütterung um 16.00 Uhr dort zu sein. Starker Regen torpedierte diese Zielstellung allerdings und so  erreichten wir die Farm trotz der größtenteils asphaltierten Strecke erst um halb fünf, als das Geparden-Streicheln auf dem Farmhof gerade beendet war und alle Gäste sich bereits auf die Jeeps geschwungen hatten, um zur Fütterung der wild lebenden Tiere zu fahren. Wir ließen unsere Autos am Tor stehen, schnappten die Kameras und kletterten mit auf die Wägen. Der sehr freundliche Besitzer tröstete uns mit der Einladung, am nächsten Morgen auf den Hof zu kommen, um die vier dort lebenden Geparden zu beobachten. Die Farmerfamilie hat die Jungtiere aus dem einen und anderen Grund aufgenommen und gepäppelt, deshalb sind sie zahmer als die draußen lebenden. Aber „Nein, ins Haus kommen sie mir nicht“, antwortete er auf meine Frage. Dort würden sie viel Schaden anrichten. Raubtier bleibt eben Raubtier.

Interessant und ein bisschen unverständlich war für uns, dass es in Namibia nicht erlaubt ist („Not allowed“ sollte noch das Schlagwort dieses Urlaubs werden), auf den Farmen Gepardennachwuchs zuzulassen.

Kurzbeschreibung Campsite Otjitotongwe: Sehr weitläufiges Areal neben der Bungalow-Pool-Anlage. Viel Grün. Sanitäre Anlagen einfach, aber mit WC und Dusche. Die Insassen eines großen Overland-Busses machten ein bisschen Partystimmung; das war aufgrund des Abstandes aber aushaltbar. Die Zufahrt über die letzten Kilometer Sandweg war durch den Regen aufgeweicht und teilweise voller Schlamm oder großer Pfützen, so dass unsere Autos bereits hier gute Patina aufwiesen.

Geparden auf der Otjitotongwe Cheetah Farm.

Geparden auf der Otjitotongwe Cheetah Farm

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Unweit der Otjitotongwe Cheetah Farm liegt Gelblingen, wo es bei der Lodge auch eine Himba-Ansiedlung gibt. Dort riefen wir am nächsten Tag an, ob wir auf einen Besuch vorbei kommen könnten.
Ja, wenn wir geländegängige Autos hätten, würde es wohl gehen… Es hatte in der Nacht, die wir auf Otjitotongwe verbrachten, ausgiebig geregnet – Wege standen unter Wasser. So gab es dann ein bisschen U-Boot-Feeling beim Fahren, bis wir Gelblingen erreichten.

Unterwegs musste ich einen Stopp einlegen, weil ich einen blinden Passagier im Auto hatte. Irgendwann wurde mein Blick durch eine Bewegung im Gesichtsfeld auf die linke Sonnenblende abgelenkt, wo sich erst EIN langes Spinnenbein, dann zwei und schließlich ein ganzer Körper hervor schoben. Nun habe ich lediglich Panik vor Schlangen, nicht vor Spinnen, aber an ein entspanntes Weiterfahren war nicht so recht zu denken, zumal der Reisebegleiter sich nicht vorgestellt hatte, ich also nicht wusste, was ich von seiner Gefährlichkeit zu halten hatte.

Nadine war fix zur Stelle und beförderte das Tier mit einem Handtuch nach draußen, doch die Spinne hatte scheinbar eine besondere Vorliebe für mein Auto, denn „haste, was kannste“ war sie fast schon wieder drin und versteckte sich schließlich im Radkasten.

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In Gelblingen klarte es nach dem langen Regen zum Glück auf, so dass wir uns Zeit und Ruhe für den Besuch in der Siedlung nehmen konnten. Geführt wurden wir von einem jungen Herero-Mann.

Bei unserem Besuch lebten im „Dorf“ lediglich zwei Himba-Frauen mit ihren Kindern sowie weitere Frauen eines anderen Stammes. Die Himbas zeichnen sich durch die rote Farbe auf ihrer Haut sowie in den Haaren aus. Die Frauen stellen dafür Cremes aus Fett und eisenhaltigem Steinstaub her. Sie benutzen die Cremes als Schutz gegen Sonne und Moskitos, aber auch aufgrund ihres ausgeprägten Sinns für Schönheit, Schmuck und Kleidung. Wer sich übrigens fragt, wie das Waschen und Duschen mit all dem Rot funktioniert: Traditionell lebende Himba-Frauen duschen sich niemals, duften aber dennoch nach Kräutern.

Seit gut fünf Jahren funktioniert in Gelblingen die Symbiose von traditionellem Stammesleben und Lodge-Tourismus nach westlichem Standard. Die Frauen und ihre Kinder erhalten lebensnotwendige Dinge von der Lodge gegen die Zustimmung, Fremden Zutritt zur Siedlung sowie das Fotografieren zu gestatten. Es wird darum gebeten, kein Geld zu schenken, sondern beim Abschied handgefertigten Schmuck oder Schnitzereien zu kaufen. Tatsächlich breiteten alle bis dahin recht zurückhaltenden und ihr Tagwerk verrichtenden Frauen zum Schluss betriebsam ihre Decken und Schätze aus und boten mit sichtlicher Begeisterung und mit vielerlei Handzeichen ihre Arbeiten dar.

Männer gibt es nicht im Dorf. Sie führen die Landwirtschaft im Norden, wo die Himbas herstammen und kommen nur besuchsweise nach Gelblingen. Unser Führer erklärte uns, dass auch die Kinder, wenn sie herangewachsen sind, in ihre Heimatdörfer geschickt werden.

Ich bin bis heute zwiegespalten in meiner Haltung zu einem solchen Projekt – ein Gefühl, welches ich noch oft in Namibia haben sollte. Man nimmt von einem solchen Besuch nicht nur viele Fotos, sondern sehr viel mehr Fragen mit, für die es kaum Patentantworten geben dürfte.

Gelblingen Lodge mit Himba-Dorf

Gelblingen Lodge mit Himba-Dorf

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Kaum hatten wir die Gelblingen Lodge verlassen und die Wasserstraßen erneut durchquert, ballten sich neue dunkle Wolken am Himmel zusammen und bescherten uns auf dem Weg zu unserem heutigen Tagesziel, der Vingerklip Lodge, reichlich Wasser. Die Fahrt, die zwar teilweise auf neuem Asphalt verlief, war dadurch ziemlich anstrengend, so dass ich beschloss, das Auto den nächsten Tag erst einmal stehen zu lassen und in dem Gebiet um die Lodge, wo überall man prächtige Ausblicke hat, nur zu wandern.

Kurzbeschreibung Vingerklip Lodge: Persönlich und sympathisch geführte Lodge inmitten von sehr viel Grün. Einzigartige Wandermöglichkeiten zum Felsen oder hoch zur Gaststätte „Eagles Nest“ auf dem Felsmassiv. Die Küche war die beste von allen, die ich während des Afrika-Urlaubs genießen durfte, obwohl noch mehrere exzellente folgen sollten. So wurde hier denn auch der Spruch geboren: „Ich lasse alle Klamotten hier und nehme die Köchin im Gepäck mit nach Hause.“
Vingerklip Lodge

Bei der Ankunft ließen wir erst einmal alles stehen und liegen und rannten nur mit der Kamera los. Der Regen hatte nämlich soeben aufgehört und hinterließ wunderbare Lichtstimmungen. Sogar Stefan steht einen Moment still.

Hier hatte ich volles Verständnis für Stefan, der erst einmal alles andere vergaß und mit der Kamera losrannte. Der Regen hatte bei unserer Ankunft aufgehört, die Sonne kam durch und zauberte wunderbare Lichtstimmungen.

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Stehen und staunen!

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„Könnt ihr mich ein Stück mitnehmen, wenn ihr abfahrt – ich habe nach dem Frühstück Schichtpause und muss dann nicht durch die Hitze laufen“, fragte der nette Kellner der Lodge, der uns viel über die Region, zum Beispiel über den Mopanebaum, erklärt und der wunderbaren, aber nur in Klicklauten sprechenden Köchin meine Mitnehm-Offerte übersetzt hatte.
„Kein Problem“, meinte ich, die ich ja Platz im Auto hatte. Dann wurde es am nächsten Morgen aber gleich zwei… Probleme. Und nach eineinhalb Stunden zog der Mann doch zu Fuß von dannen.
Zunächst funktionierte nämlich meine Kreditkarte nicht. „Die Internet-Verbindung ist heute nicht gut“, hieß es, „es hat ja geregnet, Sie müssen bitte etwas warten.“ Nach einer Stunde und mehrfachen Versuchen stellten wir gemeinsam fest, dass es kein Internet-Problem war, sondern dass die Kreditkarte einfach kein Geld freigeben wollte. Das erste Mal in 15 Jahren, dass mich die Comdirect Bank im Stich gelassen hat! Hätte sehr ärgerlich werden können, wenn ich keine weiteren Karten dabei gehabt hätte. Mit der DKB-Karte konnten wir endlich bezahlen. (Zu Hause hieß es dann, ich hätte 7x eine falsche Pin eingegeben. Aha… sieben auf einen Streich… und das bei einer „Wunsch“-Pin, die ich schon eine Zeit benutze. Egal… nehmt IMMER eine zweite Karte mit!)

Erleichtert stieg ich ins Auto, der Ober ebenfalls, aber… es ließ sich kein Gang einlegen. Um alles in der Welt und auch mit viel Gefühl nicht! Stefan kam sich das Malheur ansehen, konnte aber gleichfalls nichts ausrichten. „Bist du lange auf der Kupplung gestanden?“ Nee, wenn die Toyota-Kupplung nicht völlig anders reagiert wie alle anderen, die ich kenne, dann war ich damit ordentlich umgegangen – da war ich mir sicher. Also Anruf beim Vermieter, denn schließlich bekamen wir das Fahrzeug nicht vom Fleck. „Lasst den Motor fünf Minuten laufen und probiert es dann noch mal. Und eventuell mit dem Fuß das Kupplungspedal ein bisschen nach vorn ziehen!“
Unfassbar, aber wirksam. Mit diesem (Auto-Absperr-)Trick kam ich die nächsten vier Wochen gut über alle Startprobleme. Bei der Gelegenheit hatten wir Herrn Hester auch gleich informiert, dass die Ölfilteranzeige Alarm anzeigte und wir einigten uns, den Wagen in seine Kooperationswerkstatt in Swakopmund zu bringen, sobald wir nach der Spitzkoppe die Stadt am Atlantik erreichten.
Bitte, liebes Auto, halte solange durch, betete ich.

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Einkaufsmöglichkeiten wie in Windhoek darf man auf dem Land nicht erwarten, aber immerhin…

Auf den knapp 300 km bis zum namibischen Matterhorn, wie die Spitzkoppe auch genannt wird, sprach ich weitere Gebete. Hier wurde vor Jahren ein deutscher Tourist bei einem Raubüberfall getötet – diese Geschichte geistert, aktualisiert durch neuere Begebenheiten von überall aus Afrika, nach wie vor durchs Internet und gibt einem bei der Anfahrt durch ein sehr armes Gebiet, wo oft Frauen und Kinder an den Straßenrand gelaufen kommen, ein mulmiges Gefühl. Man könnte es den Menschen ja nicht mal übel nehmen, wenn sie sich Notwendiges zum Überleben dort holen, wo sie es sehen. Wie können die Menschen hier, wo es kaum Wasser gibt, überleben?

Zu Hause habe ich dann mehr über das Gebiet und das Geschehene nachgelesen, weil mich der Landstrich auf eigenartige Weise in den Bann gezogen hat.
In den letzten Jahren wurde viel für die Sicherheit des Areals getan und ganz offenbar gibt es dafür breiten Konsens in der Bevölkerung des nahe liegenden Dorfes, welches ja vom Gästeaufkommen profitiert. Das früher frei zugängliche rotsteinige Massiv wurde umzäunt und ein bewachtes Rest Camp angelegt.

Kurzbeschreibung Campsite Spitzkoppe: Jeder Platz liegt exklusiv mit einzigartiger Aussicht und ganz viel Platz, jedenfalls im hinteren, von den Duschen weiter entfernten Teil. An jedem Platz stehen eine Mülltonne und ein mit einem Rohrzaun eingehaustes Klo – ohne Wasserspülung natürlich. Wasser gibt es lediglich am Eingang der Campsite bei den Duschen und WCs. Muss also mitgebracht werden. Plätze waren sehr sauber, als wir dort waren.
Der Chef ist abends auf Kontrollfahrt. Wenn ich in der ersten Nacht noch unruhig schlief, hatte sich dies in der zweiten bereits fast vollständig gelegt. Man spürt tagsüber einfach viel mehr Frieden als dass man sich ständig nach Gefahren umschauen würde.

Und schließlich passen ja auch die Klippschliefer auf :-)

Klippschliefer alias Rock Dassie

Klippschliefer alias Rock Dassie

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Campsite an der Spitzkoppe

Campsite an der Spitzkoppe

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